BRUNO MATTEI
DER FILMISCHE "PIZZA EXPRESS" NUMERO UNO
Der bislang häufigste Teilnehmer am cineastischen Rangelreigen des geheimnisvollen Filmclubs BUIO OMEGA war der ehrenwerte Bruno Mattei. Was hat es mit diesem Umstand auf sich, fragt man sich, ist Mattei unter Filmkennern doch bislang stets für Schmähungen zum Teil derber Couleur gut gewesen ...
Seine
aufreibende Exploitation-Tätigkeit begann der gebürtige Römer Mitte der fünfziger
Jahre, als er als Schnittassistent debütierte. In dieser Tätigkeit hatte er
auch Gelegenheit, mit den großen Regisseuren Gillo Pontecorvo und Giuliano Montaldo
zusammenzuarbeiten, die beide vom Neorealismus kamen und diese Tradition in
zugkräftiges wie engagiertes Zuschauerkino umwandelten. An diese Erfahrungen
muss sich Mattei erinnert haben, als er 1969 mit ARMIDA - IL DRAMMA DI UNA SPOSA
seinen ersten Film als Regisseur drehte. Diesem Schwarzweißfilm über die Erlebnisse
eines Deserteurs war aber kein langes Leben beschieden, und so warf sich Bruno
für weitere 7 Jahre in den Strudel des Cutterwesens, wo er u. a. mit Exploitation-Zampano
Joe d'Amato zusammenarbeitete. (Sein Pseudonym als Cutter lautete in der Regel
"Jordan B. Mathews".) 1976 wollte er es aber erneut wissen und begann seine
mittlerweile fast ein Vierteljahrhundert andauernde Karriere als filmischer
"Pizza Express" Numero Uno.
Die
ersten Pizzen, die so entstanden, waren eindeutig "Funghi": KZ 9 LAGER DI STERMINIO
gilt noch heute als eines der krassesten Beispiele der kurzlebigen Tradition
des "Naziporno" und schildert die Erlebnisse einiger Kriegsgefangener in einem
deutschen Gefangenenlager. Wer bei diesem Werk sein Essen im Magen behält, kann
gleich morgen bei einer der großen amerikanischen Imbissketten anfangen ...
Der gleichzeitig entstandene CASA PRIVATA PER LE SS enthielt sich weitgehend
der Grausamkeiten und ist eher von Tinto Brass' SALON KITTY beatmet. Bei beiden
Filmen lässt sich aber bereits eine Tendenz feststellen, die Mattei in späteren
Ergüssen für den internationalen Markt beibehalten sollte: Es gibt eine ungewöhnliche
Mengung bizarrer Beigaben, die fast schon "fellinieske" Züge besitzen und Mattei
von nahezu allen anderen Exploitation-Kollegen unterscheiden. Bei dem häufig
geschmähten Mann lohnt es sich, auf die Details zu achten ...
Nachdem er mit d´Amato an einigen Pornodokus zusammengearbeitet hatte (z. B. EMANUELLE - SINNLICHKEIT HAT TAUSEND NAMEN), drehte er die beiden LIBIDOMANIA-Filme, die auf dem psychopathologischen Standardwerk von Krafft-Ebing beruhen. Mannigfaltig sind die Wege, auf denen der Mensch seine Triebe verwirklicht, und die Filme sind Erlebnisse, nach denen ein geordnetes Sexualleben kaum mehr möglich erscheint.
Die
"Reifeperiode" Matteis begann 1980. Zuerst drehte er als "Stefan Oblowsky" zwei
unglaubliche Filme aus dem Nonnenmilieu, DAS SÜSSE LEBEN DER NONNE VON MONZA
sowie den übernatürlich beatmeten L'ALTRO INFERNO/THE OTHER HELL, in denen er
erneut seine bei Parolinis Sandalenfilmen gelernte Technik, "zwei Filme zum
Preis von einem" zu drehen, auslebte. Den richtigen Schwartenkracher servierte
er aber erst mit seinem berüchtigten VIRUS
(DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN). Unter dem sinnfällig gewählten Pseudonym "Vincent
Dawn" (das er von hier ab häufig verwenden sollte) mixte er rollende Augen,
rollende Köpfe und naturhistorisches Material aus einem japanischen Dokumentarfilm
auf unwiderstehliche Weise. Das entstandene Gebräu war nicht nur für Kenner
des Romero-Filmes von hohem wissenschaftlichem Interesse. Der Film gilt noch
heute als einer der Klassiker unter Italiens Splatterfilmen und enthält Szenen,
die man heute kaum mehr für möglich halten würde. Recht so - ein VIRUS kennt
keine Moral! Der Film markiert ebenfalls die erste Zusammenarbeit mit Claudio
Fragasso (PALERMO MILANO SOLO ANDATA), der von Mattei zu einem von Italiens
hoffnungsvollsten Genreregisseuren promovierte.
Danach
bastelte Bruno zwei weitere fürchterliche Doppelpacks: zum einen die hemmungslos
"versexten" Sittengemälde aus dem antiken Rom, CALIGULA UND MESSALINA und NERO
UND DIE HUREN DES RÖMISCHEN REICHES; zum anderen die beiden toughen Gefängnisdramen
um die reizende Laura Gemser, die ganz genau zeigen, warum man NIE straffällig
werden sollte ...
Diesem hohen moralischen Anspruch wurde Bruno nicht untreu in dem 1985 veröffentlichten RATS - NOTTE DI TERRORE (THE RIFFS III - DIE RATTEN VON MANHATTAN), den ein geschätztes Clubmitglied als "geil langweilig" akkurat charakterisierte. Die Abenteuer eines Häufleins von Menschen (hier trifft die Formulierung endlich mal zu!) in einer Endzeitversion von Roms Straßenlandschaft weist Bruno als einen Meister der "Folgt mir! - Hier geht´s lang! - Aaargh!"-Sorte von Dialogen aus, die von den Darstellern andächtig zelebriert werden. Obwohl die Darsteller mühelos sowohl von den ca. 50 echten Ratten wie von den Plastikratten an die Wand gespielt werden, greift Brunos Mahnung vor den Gefahren eines nuklearen Holocaust.
Zu
den späteren Zelluloiddoppeln des Filmemachers gehören die auf den Philippinen
entstandenen Söldnerfilme STRIKE COMMANDO und ROBOWAR (letzterer eine geniale
Mischung aus PREDATOR und ROBOCOP!) und die beiden verspäteten Italowestern
SCALPS und WHITE APACHE. Hervorzuheben ist ebenfalls der vorzügliche SHOCKING
DARK (CONTAMINATOR), der auch unter dem unglaublichen Titel TERMINATOR 2 gestartet
wurde ... Das epochale Kriminaldrama COP GAME (G. I. KILLER) wurde bereits bei
einer Clubverlosung einem glücklichen Clubmitglied zuteil, das jetzt alles hat,
was man zum Seligsein braucht ... Die letzten Erzeugnisse des großen Mattei
waren einige Filme, die er für den Produzenten Ninì Grassia tätigte, darunter
die technodurchwaberte SILENCE OF THE LAMBS-Variante OMICIDIO AL TELEFONO, die
man ebenfalls gesehen haben muss, um sie zu glauben.
"Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande." Auf kaum einen italienischen Filmemacher trifft dieser Satz so zu wie auf Brunino, denn seine professionelle Tätigkeit stößt in seinem Heimatland immer noch weitgehend auf Unverständnis. International waren seine Filme aber stets kommerziell sehr erfolgreich, sowohl auf der Leinwand wie auf Video, und größer wird die Schar der Adepten, die begriffen haben, dass Mattei-Filme eine Droge darstellen, die endlich mal keine schädlichen Nebenwirkungen im Fahrwasser führt - legales Doping für den Lebenskünstler von morgen! Bestimmt wird der Tag kommen, an dem wir erneut den Filmemacher und Menschen Bruno Mattei im Kino begrüßen dürfen. Vielleicht ja auch ihn selbst ...? Die Nachforschungen dauern an.
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