RAINER BRANDT

DER DEUTSCHE SYNCHRON-PAPST

 

Wer kennt sie nicht, die legendären Leinwand-Hits von Bud Spencer und Terence Hill, die knalligen Komödien mit Louis de Funès oder die kesse Kult-TV-Serie DIE ZWEI (THE PERSUADERS), in der sich Tony Curtis und Roger Moore bei der Verbrecherjagd die flotten Sprüche nur so um die Ohren hauen? Dass diese und noch viele andere Wunderwerke hierzulande zum riesigen Erfolg gerieten, ist vor allem einem Mann zu verdanken: dem Berliner Rainer Brandt. Als Synchron-Sprecher und -Autor verlieh er unzähligen deutschen Fassungen eine einzigartige sprachliche Note und begeisterte das Publikum durch seine atemberaubende Wortakrobatik. Beispiele gefällig? "Kleidsamer Fußsack, selbst gehäkelt?" – "Ja, katholisch Mufflon in Karamellblau." (DIE ZWEI); "Na welche Schallmai umschleicht denn da meine Nüschel?" (SARTANA – NOCH WARM UND SCHON SAND DRAUF); "Mausepaul klettert unter Deck, sonst holt er sich in dem Wind hier noch ’n Kleckermann im Näschen." (DER AUSSENSEITER). Keine Frage, "gebrandtmarkte" Filme und TV-Serien sorgten für absolute Hochstimmung – damals wie heute!

Rainer Brandt, geboren am 19. Januar 1936 im Westen von Berlin, begann Mitte der 50er-Jahre eine Schauspielausbildung an der renommierten Berliner MAX-REINHARD-SCHAUSPIELSCHULE. Noch während der Ausbildungszeit engagierte ihn das hiesige HEBBEL-THEATER (heute das HAU 1-2-3) – ein echter Glücksfall, denn schon bald faszinierte der talentierte junge Darsteller die gesamte Berliner Theater-Szene: Nach anfänglichem Privatunterricht bei der berühmten deutschen Schauspielerin Lucie Höflich, die im Anschluss an Lilli Palmer eigentlich keine Schüler mehr unterweisen wollte, und nur zweieinhalb Jahren Bühnenerfahrung an diversen Häusern zierte Rainer Brandts Name bereits in großen Buchstaben die Theater-Plakate am Kurfürstendamm. Brandt hatte sich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, fest etabliert und agierte zusammen mit nahezu allen bedeutenden Bühnenstars der damaligen Zeit wie etwa Mathias Wiemann, Karl John oder Heinz Giese. Die Schauspielschule betrat er erst wieder zur Reifeprüfung, die er selbstverständlich bravourös bestand.

Rainer Brandts Theater-Triumphe blieben der deutschen Kino-Branche nicht verborgen, so dass er ab 1959 auch vor der Kamera stand. Er drehte u. a. mit Heinz Rühmann und Michael Verhoeven (DER JUGENDRICHTER; BRD 1959; Regie: Michaels Vater Paul Verhoeven – nein, nicht der Holländer gleichen Namens!), mit Rudolf Prack und Karin Baal (DIE JUNGE SÜNDERIN; BRD 1960; Regie: Rudolf Jugert) und mit Eva Bartok und Claus Holm (EHEINSTITUT AURORA; BRD 1961; Regie: Wolfgang Schleif) – allesamt Kurt-Ulrich-Produktionen. Außerdem war er an der Seite von Paul Hubschmid und Kurt Meisel in DIE ROTE HAND (BRD 1960; Regie: Kurt Meisel), an der Seite von O. W. Fischer und Maria Schell in DAS RIESENRAD (BRD 1961; Regie: Géza von Radvany) und an der Seite von Hans Söhnker, Götz George und der eigenen Ehefrau Ursula Heyer in DIE FASTNACHTSBEICHTE (BRD 1960; Regie: Wilhelm [aka William] Dieterle – die erste deutsche Kino-Spielfilm-Regie nach seiner Rückkehr aus Hollywood) zu sehen. Erwähnung finden muss natürlich noch der britische Spionage-Thriller FINALE IN BERLIN (FUNERAL IN BERLIN; Großbritannien 1966; Regie: Guy Hamilton), bei dem Brandt neben Michael Caine, Paul Hubschmid, Eva Renzi, Wolfgang Völz und Herbert Fux spielte.

Darüber hinaus bleiben aus dem Exploitation-Blickwinkel natürlich zwei grandiose Brandtsche Genre-Perlen unvergessen: EIN TOTER HING IM NETZ (BRD 1959; Regie: Fritz Böttger) – ein für damalige Verhältnisse erstaunlich freizügiger Südsee-Monster-Schocker und als solcher einer der wenigen Ausnahmen im deutschen Nachkriegskino – und die nicht von RIALTO FILM, sondern von KURT ULRICH FILM produzierte Edgar-Wallace-Leinwand-Adaption DER RÄCHER (BRD 1960; Regie: Karl Anton), die Rainer Brandt, Heinz Drache und Klaus Kinski zusammenführte.

Parallel zu den Theater- und Kinoauftritten begann Rainer Brandts außergewöhnliche Synchron-Karriere. Zunächst engagiert von der DEFA (= DEUTSCHE FILM AG), das volkseigene Filmstudio der DDR, für das er nach der ersten Sprech-Hauptrolle in dem prämierten ("Goldene Palme" beim Cannes-Filmfestival 1958) sowjetischen Kriegsdrama WENN DIE KRANICHE ZIEHEN (LETYAT ZHURAVLI; UdSSR 1957; Regie: Mikhail Kalatozov) zahlreiche Zelluloid-Werke synchronisierte, erhielt er bald auch im Westen Deutschlands lukrative Aufträge. So lieh Rainer Brandt während der 60-Jahre Elvis Presley (insgesamt 17 Filme), John Lennon (YEAH YEAH YEAH aka A HARD DAY’S NIGHT; HI-HI-HILFE! aka HELP!), Oliver Reed (DER FLUCH VON SINIESTRO aka THE CURSE OF THE WEREWOLF; DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG aka CAPTAIN CLEGG u. a.), Marlon Brando (DIE GRÄFIN VON HONGKONG aka A COUNTESS FROM HONG KONG), James Coburn (AUF EIGENE FAUST aka RIDE LONESOME), Jack Lord (JAMES BOND – 007 JAGT DR. NO aka DR. NO), Jean-Louis Trintingant (MORD IM FAHRPREIS INBEGRIFFEN aka COMPATIMENT TUEURS) Gian Maria Volontè (FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR aka PER UN PUGNO DI DOLLARI) und später Jean-Paul Belmondo (insgesamt 17 Filme) seine markante Stimme, um nur einige wenige zu nennen.

Aber Rainer Brandt war nicht nur als Synchron-Sprecher gefragt, sondern entwickelte sich mehr und mehr zu einem glänzenden Spezialisten für deutsche Synchron-Dialogbücher. Der große Durchbruch gelang ihm mit DIE ZWEI (aka THE PERSUADERS; 1971-1972), einer im Original mäßig unterhaltenden und wenig witzigen britischen TV-Serie, die dank Brandts kreativen Verbal-Kapriolen in Deutschland zum Straßenfeger wurde – am Morgen nach den jeweiligen ZDF-Ausstrahlungen zitierte man allerorts entzückt die knallbunten Sentenzen des Duos Roger Moore und Tony Curtis (gesprochen von Rainer Brandt), wobei einige der Brandtschen Erfindungen wie z. B. "Tschüssikowsky" und "Sleep well in your Bettgestell" sogar ins Volksgut übergingen. Brandt selbst nennt diese Art der Synchronisation "Schnodder-Deutsch":

"Es war ein Mischmasch – zusammengewürfelt aus Berlinismen, Jiddisch, ein bisschen Unterwelt und etwas Gosse. Und sehr viel Humor gepaart mit Fantasie. Das Ganze nicht auf Logik, sondern auf Bewegung der Schauspieler [Anm.: Gerne ließ er die Akteure sprechen, wenn sie mit dem Rücken zur Kamera agierten.] Und wie redet das Volk? Das erlebt man in jeder Kneipe, auf jeder Großveranstaltung. Sätze werden begonnen – auch wenn das mit einer Riesenbugwelle passiert – (und dann mittendrin) abgebrochen, und der gedachte Faden geht ganz woanders weiter. So reden Leute, wenn sie unbeobachtet (sind). Und das haben wir übernommen. Sehr zur Freude der Zuschauer und des ZDF." (www.splashmovies.de)

Und wo wir gerade beim ZDF sind: Für das AKTUELLE SPORTSTUDIO erstellte Rainer Brandt von 1969 bis weit in die 70er-Jahre hinein kurze Clips, die populären Fußball-Spielern und -Trainern gemäß der Brandtschen Synchron-Kunst so manch ungeahnte Statements entlockten. Ein Zusammenschnitt der spaßigen Weisheiten hält die Video-Plattform YOUTUBE bereit, auf der übrigens noch weitaus mehr "brandtgefährliches" Material zu finden ist – einfach mal den Suchbegriff "Rainer Brandt" eingeben!

"Schnodder-Deutsch" war auch das Erfolgsrezept für die Eindeutschung der Komödien mit Bud Spencer und Terence Hill, Adriano Celentano, Louis de Funès und Pierre Richard. Dazu gesellen sich solch illustre Synchro-Granaten wie SARTANA - NOCH WARM UND SCHON SAND DRAUF, STOSSGEBET FÜR DREI KANONEN, SIE HAUEN ALLE IN DIE PFANNE (aka SUPERMÄNNER GEGEN AMAZONEN), AUCH DIE ENGEL ESSEN BOHNEN oder LASST UNS TÖTEN, COMPANEROS (dt. Erstaufführung). Die meisten dieser Synchronisationen entstanden in Kooperation mit Brandts altem Freund Karlheinz Brunnemann, dem Inhaber der DEUTSCHEN SYNCHRON.

Mitte der 70er-Jahre gründete Rainer Brandt dann seine eigene Synchron-Firma, die in Kleinmachnow bei Berlin ansässige BRANDTFILM, über die er etliche TV- und Kino-Auftragsarbeiten realisierte, darunter die Fernsehserien MÄNNERWIRTSCHAFT (THE ODD COUPLE), M*A*S*H (Brandt gab hier zusätzlich die Lautsprecherstimme), EIN KÄFIG VOLLER HELDEN (HOGAN’S HEROES), DAS VERRÜCKTE HOTEL – FAWLTY TOWERS (FAWLTY TOWERS), SEINFIELD und FRASIER sowie die Spielfilme EINE LEICHE ZUM DESSERT (MURDER BY DEATH), JAMES BOND 007 – SAG NIEMALS NIE (NEVER SAY NEVER AGAIN; Ursula Heyer sprach Barbara "Domino" Carrera, während Brandt selbst Dominos Tanzlehrer Kurt vertonte), CONAN – DER BARBAR (CONAN – THE BARBARIAN), RAMBO, MISSING IN ACTION, MEET THE FEEBLES und BEETLEJUICE. Daneben zeichnete er sich auch für die Synchronisation einer Reihe von äußerst anspruchsvollen Kino-Titeln verantwortlich wie etwa Francis Fords Coppolas RUMBLE FISH und David Leans REISE NACH INDIEN (A PASSAGE TO INDIA), Filme, bei denen Brandts Synchron-Buch die Ernsthaftigkeit der Vorlage ins Deutsche übertrug, und zwar derart präzise, dass ihm David Lean sogar mündlich einen "Synchron-Oscar" zusprach. Dazu Rainer Brandt:

"Für bestimmte Filme (ist es) absolut richtig, da bleibt man ganz nah dran, wie beispielsweise (bei) einem Ingmar-Bergman-Film. (...) Aber jetzt kommen wir zu den komischen Sachen: Die Komik kann man nicht 1:1 übersetzen. Das geht nicht. Die Amerikaner, Franzosen haben einen ganz anderen Humor als wir. Oder die Spanier – da liegen Galaxien dazwischen. Dann muss man sich eben hinsetzen und überlegen: Was wollte der Drehbuchautor und der Regisseur im Original erreichen? Das zu verfolgen, war das Geheimnis meines Erfolges." (www.casting-network.de)

Es geht also darum, bei der Synchronisation den richtigen Ton zu treffen – eine Fähigkeit, die sich Rainer Brandt – mit BRANDTFILM weiterhin eine feste Größe in der Branche und zudem seit geraumer Zeit Jury-Präsident des jährlich vergebenen "Deutschen Preises für Synchron" – bis heute bewahrt hat.

Bemerkenswert ist noch, dass Brandts Ehefrau, die Schauspielerin Ursula Heyer, und die gemeinsame Tochter Judith ebenfalls mit der Synchronarbeit vertraut sind: Ursula Heyer war u. a. die deutsche Stimme von Joan Collins in der TV-Serie DER DENVER CLAN, während Judith Brandt aktuell u. a. Sophie Marceau und Monica Bellucci spricht. Brandts Sohn Andrej dagegen hat einen anderen Weg im Film- bzw. Kunst-Betrieb eingeschlagen und arbeitet erfolgreich als Kameramann und Fotograf. Nach einigen Jahren in Miami lebt Andrej jetzt in Südafrika. Zum Brandt-Clan gehören auch seit jeher vierbeinige Freunde, die teilweise als Filmhunde Karriere gemacht haben. Was für eine Familie!

Es wurde also wahrlich allerhöchste Zeit, Rainer Brandt gebührend zu feiern und zu ehren, und zwar mit einem BUIO-OMEGA-Kino-Spektakel der Superlative, das am Samstag, den 16.08.2008 die Besuchermassen absolut begeistert hat. Vor ausverkauftem Haus plauderte Rainer Brandt als nunmehr achter Super-Stargast in einem multimedialen Mega-Interview locker-flockig aus dem Nähkästchen der exploitativen Synchron-Geschichte und schrieb sich anschließend während der hautnahen Autogrammstunde regelrecht die Finger wund, ehe er zum Abschluss der beispiellosen Abend-Gala ein Brandtsches Spielfilm-Highlight der Güteklasse "Brülliant plus" präsentierte. Keine Frage, die Audienz des deutschen Synchron-Papstes war ein unvergleichliches audiovisuelles Feuerwerk voller "brandtheißer" Erkenntnisse! Ein denkwürdiges filmhistorisches Ereignis, das noch lange nachhallt!!!

 

Rainer Brandt kurz nach der feierlichen Übergabe des "JOE",
dem begehrten Preis des GEHEIMNISVOLLEn FILMCLUBs BUIO OMEGA
für außergewöhnliche Verdienste im Exploitation-Kino
Foto © by KONZ

 

Das Komitee möchte nicht versäumen, die Personen, Firmen und Institutionen zu erwähnen, auf deren wertvolle Hilfe und Unterstützung wir beim Mega-Event RAINER BRANDT LIVE! zählen konnten. Unser ausdrücklicher Dank gilt:

- den treuen BUIO OMEGA-Mitgliedern, die ein derartiges Ereignis überhaupt erst möglich gemacht haben (und weitere machen werden!)
- dem gesamten SCHAUBURG-Team, insbesondere dem SCHAUBURG-Betreiber Michael Meyer
- dem REFERAT KULTUR der Stadt Gelsenkirchen, insbesondere Herrn Dr. Volker Bandelow
- dem FÖRDERVEREIN SCHLOSS HORST E. V., insbesondere Herrn Elmar Alshut
- Holger Bals von E-M-S NEW MEDIA GROUP (kauft bitte alle E-M-S-DVDs!)
- Volker Lange von ANOLIS ENTERTAINMENT (kauft bitte auch alle ANOLIS-DVDs!)
- den Vertretern der Presse, insbesondere der WAZ Gelsenkirchen für die kontinuierliche, großartige Berichterstattung
- allen weiteren helfenden Händen
- und natürlich unserem wunderbaren Stargast Rainer Brandt

© by SAILOR RIPLEY

 

EMPFEHLENSWERTE RAINER BRANDT-LINKS:

Für die Inhalte der nachstehenden Seiten sind die jeweiligen Betreiber verantwortlich.



"Die coole Stimme aus dem Off"
von Corinna Stegemann
(DIE TAGESZEITUNG, 16.08.2005)



"Rainer Brandt: Auf die Ohren kommt es an
– Ein Interview über die deutsche Synchronschauspielerszene
anlässlich der Verleihung des >Deutschen Preises für Synchron<"
von Tina Thiele (CN-KLAPPE, Februar 2006)



Rainer Brandt in der DEUTSCHEN SYNCHRONDATENBANK (tolles Foto!)



Rainer Brandt in der DEUTSCHEN SYNCHRONKARTEI



Rainer Brandt in der INTERNET MOVIE DATABASE



Rainer Brandts Firma BRANDTFILM

 

Die auf dieser Domain veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein filmjournalistischen Charakter. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken, sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Das Copyright liegt bei den Autoren.

Hall of Shame     Buio-Stars