EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN

Originaltitel UOMINI SI NASCE, POLIZIOTTO SI MUORE
Alternativtitel LIVE LIKE A COP, DIE LIKE A MAN (USA/Großbritannien)
HOMBRE SI NACE, POLICIA SE MUERE (Spanien)
THE TERMINATORS (britischer Videotitel)
HET RECHT IN EIGEN HAND (holländischer Videotitel)
ISKALLA TYPER PÅ HETA BÅGAR (schwedischer Videotitel)
   
Land und Jahr Italien 1975
   
Regie Ruggero Deodato
Produktionsfirma C. P. C. [= Centro Produzioni Cinematrografiche] Città di Milano S. r. l. & T. D. L. Cinematografica S. r. l.
Drehbuch Fernando Di Leo
Story Fernando Di Leo, Alberto Marras & Vincenzo Salviani
Kamera Guglielmo Mancori
Schnitt Gianfranco Simoncelli
Musik Ubaldo Continiello
Songs "Maggie" (Ray Lovelock) und "Won't Take Too Long" (Fraser & Ruggero Deodato), beide gesungen von Ray Lovelock
Regieassistenz Roberto Pariante
Kameramann Mario Sbrenna
Kameraassistenz Aldo Bergamini & Reanato Palmieri
Ausstattung Franco Bottari
Kostüme Liliana Galli
Maske Alma Santoli
Special Effects CI. PA.
Sound-Effekte Marinelli
Ton Antonio Forrest
   
Darsteller Marc Porel [= Domenico Poli] (Alfredo, genannt "Fred"), Ray Lovelock (Antonio, genannt "Tony"), Adolfo Celi (Chef der Spezialeinheit), Franco Citti (dt. Version: Ruggero Ruginski, genannt "Rudy"; ital. Version: Ruggero Ruggerini), Silvia Dionisio (Norma), Marino Masè (Guido Conti, genannt "Rick"), Renato Salvatori (Roberto "Bibi" Pasquini), Sergio Ammirata (Der Sergeant), Bruno Corazzari (Morandi, der Informat), Daniele Dulbino (korrupter Polizei-Inspektor), Flavia Fabiani [= Sofia Dionisio] (Lina Pasquini), Tom [= Tomaso] Fellegy ("Major"), Margarita Horowitz (Mona, eine Geisel), Gina Mascetti (Maricca), Macello Monti (dritter Geiselnehmer), Claudio Nicastro (Polizeichef), Gino Pagani [= Pagnani] (Paul, der Hunde-Trainer), Bruno De Luia (Pasquinis Leibwächter), Enzo Pulcrano (Mario, Pasquinis Handlanger), Alvaro Vitali (Hausmeister), Gilberto Galimberti (zweiter, auf dem Boot gefolterter Gangster), Benito Pacifico (erster bewaffneter Räuber), Marcello Monti, Ruggero Deodato (aus der Bank kommender Mann) u. a.
   
deutsche Erstaufführung 03.09.1976
Verleih Constantin
Format 1:1,85 (Telecolor/Eastmancolor)
Laufzeit 89 Minuten (= 2442 Meter, deutsche Kino-Version); Originallänge: 100 Minuten (= 2649 Meter)
Home-Entertainment Video:
VPS (83:33 Minuten, einige Handlungs- und kleinere Zensur-Schnitte, 1:1,85);
ViP - Videofilm Promotions, Großbritannien (92 Minuten, als THE TERMINATORS);
Domovideo, Italien (94 Minuten);
Mondial Video Pforzheim (italienische Fassung, 91:33 Minuten)
Starline/Thorn Emi, Niederlande (90:52 Minuten, als HET RECHT IN EIGEN HAND);
Media Transfer, Schweden (als ISKALLA TYPER PA HETA BAGAR).

 

Verd(r)eckte Ermittlungen ...

... zu Ruggero Deodatos Polizeifilm EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN

 

"Es ist doch ein Ding der Unmöglichkeit, dass ihr von jedem Einsatz mit Toten oder zumindest schwer Verletzten zurück kommt."
"Sie wissen doch selbst, dass man bei unserem Job nicht zimperlich sein kann."

Dialog zwischen den beiden Undercover-Cops Fred & Tony und ihrem Chef

 

Weihnachten in Rom. Das Fest der Liebe. Offenbar nicht für jeden, denn kurz nachdem eine Frau ein Bankgebäude verlassen hat, prescht ein kriminelles Duo mit seinem "heißen Ofen" heran und versucht ihr die wohl nicht nur mit Pflege-Accessoires gefüllte Handtasche zu entreißen. Doch die Dame hält wider Erwarten an ihrem wertvollen Besitz fest, die Großstadt-Banditen allerdings auch an ihrer Beute. So wird die Bedauernswerte zunächst einige Meter über den Boden mitgeschleift und stößt dabei zu allem Unheil noch mit dem Kopf gegen einen Laternenpfahl. Die Handtasche lässt sie jedoch nicht los. Selbst dann nicht, als die kaltblütigen Räuber sie brutalst mit Tritten traktieren. Schließlich geben die Kriminellen auf und fliehen ohne Diebesgut auf ihrem Feuerstuhl. Das schwer verletzte Opfer lassen sie sozusagen in der Gosse liegend zurück.

Ein derartig gewalttätiges Vorgehen darf natürlich nicht ungesühnt bleiben. Wie gut, dass die beiden verdeckt operierenden Ermittler einer Spezialeinheit, Alfredo alias Fred und Antonio alias Tony, das Geschehen (ohne Einzugreifen, obschon dies möglich gewesen wäre!) beobachtet haben und nun mit ihren Motorädern die Verfolgung aufnehmen. Die wilde, ausgedehnte Jagd führt direkt durch den Stadtkern, hinaus in die Vorbezirke Roms und endet letztlich an bzw. in einem Lastwagen, denn Fred und Tony drängen die beiden motorisierten Täter in das parkende Fahrzeug. Es kommt zum spektakulären Crash, bei dem einer der Räuber durch das LKW-Verdeck geschleudert wird, während der andere, mit dem Lenker seines Feuerstuhls im Bauch eingegraben, auf der Ladefläche landet. Zu letztgenannten bemüht sich Fred nur, um mit einem süffisanten Lächeln festzustellen, dass der Übeltäter auch tatsächlich das Zeitliche gesegnet hat. Gleiches schwebt wohl ebenfalls Tony vor, doch der zweite Kriminelle ringt noch auf der Straße um sein Leben. Ein paar vermeintlich mitfühlende Worte vorausschickend wirft Tony einen verstohlenen Blick in die Umgebung, um dann unbeobachtet dem schwer Verletzten das Genick zu brechen. "'N Lenker im Bauch is' nich' gut. - 'N gebrochenes Genick auch nich'." Wer mit dem Titel "eiskalte Typen" belegt ist, sollte spätestens jetzt klar geworden sein.

Mit dieser bravourös inszenierten, jedoch inhaltlich schier unglaublich geschmacklosen Sequenz beginnt Ruggero Deodatos (leider) einziger Beitrag zum italienischen Polizeifilm-Genre. Verwundern mag diese Kombination eigentlich kaum, nimmt Deodato doch im Exploitation-Bereich eine über alle Maßen interessante Sonder-Stellung ein. Wie kaum ein weiterer Regisseur auf diesem Gebiet versteht er es in vielen seiner Werke die ganze Bandbreite filmischer Mittel virtuos einzusetzen und mit ihnen zu spielen. Auf der anderen Seite gibt es wenig vergleichbare Filme, die aufgrund ihrer ambivalenten Struktur derart polarisieren, wie dies teilweise dem Kino Ruggero Deodatos zu eigen ist. Gezielte, selbst für Exploitation-Verhältnisse extreme Provokation gehört zu Deodatos Markenzeichen. Und das nicht erst seit NACKT UND ZERFLEISCHT (CANNIBAL HOLOCAUST; 1979).

Deodato greift in EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN bewährte Muster des italienischen Polizeifilms auf. Genauer gesagt orientiert er sich eindeutig an den harten Selbstjustiz-Filmen und Action-Cop-Movies, die Mitte der 70er-Jahre aus den politisch motivierten Mafia-Filmen entstanden waren. Zeigten Letztgenannte zunächst noch, dass das Verbrechen nur in einer gesellschaftlichen Anstrengung zu bezwingen sei, so bevölkerten nun heroische Einzelgänger (zum Teil auch Teams) die Leinwände, welche zu einem gewalttätigen, vernichtenden Gegenschlag ausholten. Zuweilen übertrugen diese Filmen die Ästhetik und Moral des Italo-Westerns auf das Genre, doch zur Entwicklung des italienischen Polizeifilms später mehr.

Das Kino der neuen Ära war vor allem von comichaften Gewalt-Phantasien und einer episodischen Erzählstruktur geprägt. Gerade Umberto Lenzis zahlreichen Beiträge wie CAMORRA - EIN BULLE RÄUMT AUF (NAPOLI VIOLENTA; 1976) oder DIE GEWALT BIN ICH (Il CINICO, L'INFAME, IL VIOLENTO; 1976) mögen hier als eindrucksvolle Beispiele dienen, wie überhaupt fast alle Filme, in denen Maurizio "Kommissar Eisen" Merli, deftig aufräumte. Deodato benutzt nun die stilbildenden, populären Elemente, um sie in noch überspitzterer Form zu präsentieren, ohne dabei jedoch die Genre-Grenzen zu verlassen. So gerät EISKALTE TYPEN in keinster Weise zur albernen Komödie, wohl aber zur intelligenten Karikatur, die man allerdings auch als reaktionäre Entgleisung missverstehen kann. Denn Deodato ist eben nicht politisch korrekt, bezieht nicht eindeutig Stellung, sondern schildert die "Arbeit" der beiden radikalen Cops völlig unkommentiert.

Mit welchen Methoden Fred und Tony zu Werke gehen, sollte durch die oben beschriebene Eingangssequenz bereits mehr als deutlich charakterisiert sein. Bestens gelaunt und immer für einen groben Spruch gut, "bereinigen" sie tagtäglich den Moloch Rom vom größten "Unrat" der Unterwelt. Dabei hinterlassen sie nicht nur den einen oder anderen Scherbenhaufen. Die Angehörigkeit zu einer verdeckt ermittelnden Polizei-Spezialeinheit dient den beiden lediglich als fadenscheinige Legitimation für ihr sadistisches, unmenschliches Handeln. Sie erklären sich selbst nach äußerst fragwürdigen Grundsätzen zum Gesetz und nehmen ihre Vorstellung von Recht (und Ordnung) - wie der holländische Video-Titel treffend kennzeichnet - kompromisslos in die eigene Hand.

Als loser Handlungsfaden dient die Jagd auf den skrupellosen Gangsterboss Roberto "Bibi" Pasquini, der Roms illegale Glücksspiel-Szene im großen Stil kontrolliert. An seinen Fersen klebt seit längerem ein weiterer Fahnder der Spezialeinheit, den "Bibi" hinterrücks erschießen lässt. Das Attentat ruft Fred und Tony auf den Plan, die natürlich nicht lange fackeln. In der Nacht statten sie "Bibis" Roulette-Club einen Besuch ab und sprengen kurzerhand die vor dem exquisiten Gebäude parkenden teuren Luxus-Karossen in die Luft. Dies bedeutet Krieg.

Von ihrem Chef, der nebenbei bemerkt trotz harscher persönlicher Kritik das Vorgehen des Duos insgeheim billigt sowie generell über keinerlei akzeptablere Moralvorstellungen verfügt (in der deutschen Fassung gekürzt), erfahren Fred und Tony, dass "Bibi" seine Schwester Lina finanziell unterstützt und auch persönlichen Kontakt zu ihr hält. Sie sollte demnach den Aufenthaltsort ihres Bruders kennen. Doch Lina entpuppt sich als unwissende, nymphomanisch veranlagte Ultra-Schlampe, die Fred und Tony erst mal ordentlich - mit Verlaub - "auspumpt". Die giftige Haushälterin bereitet den beiden anschließend zur Stärkung Rühreier zu.

Während eben jene Haushälterin "Bibi" Einzelheiten über die ungebetenen Gäste mitteilt und dieser anschließend von einem geschmierten Kommissar Angaben über die Identität der Eindringlinge erhält, setzen Fred und Tony ihre Recherchen fort. Auf einem zur billigen Spielhölle umfunktionierten Hausboot nehmen sie einige Handlanger des großen Bosses in die Mangel, doch auch von den kleinen Fischen ist selbst per brutaler Folter nichts herauszubekommen.

Nachdem die knallharten Cops souverän einen Anschlag "Bibis" abwehren können, bei dem selbstverständlich alle Attentäter über den Haufen geschossen werden, verweist sie ein Informant auf einen drogenabhängigen Kleinkriminellen, dem der Glücksspiel-König einst wegen hoher Schulden ein Auge zerquetschte. Diesen können Fred und Tony endlich zur Zusammenarbeit überreden und gemeinsam holen sie zum alles entscheidenden Schlag gegen "Bibi" aus. Doch der gnadenlose Bandenführer hat den Braten gerochen und bereits einen teuflischen Plan geschmiedet ...

Wie schon erwähnt, bilden die Geschehnisse um "Bibi" nur das grobe Storygerüst und selbst diese sind in ihrer Struktur eher episodisch angelegt. Das dünne Drehbuch von Gangsterfilm-Veteran Fernando Di Leo ist fast gänzlich auf den abenteuerlichen Alltag der beiden wahrlich speziellen Polizisten fixiert. Es gönnt ihnen u. a. noch genügend Raum, um jeweils in längeren Sequenzen drei gewaltbereiten Geisel-Gangstern den Garaus zu machen sowie einen geplanten Banküberfall durch Erschießen der teilweise unbewaffneten (!) Banditen zu verhindern.

Das Perfide an Deodatos filmischer Umsetzung ist, dass er auf klare Identifikationsfiguren verzichtet. Auch wenn die Hauptcharaktere in anderen Genre-Beiträgen teilweise eine rücksichtslose Art der Verbrechensbekämpfung wählen, so sind ihre zweifelhaften Handlungen doch immer Folge einer (erzählten) Entwicklung und damit in der Psychologie der Figuren begründet. Deodato verzichtet entgegen den Genre-Gesetzen völlig auf diesen Hintergrund. Stattdessen präsentiert er, ohne eindeutig moralisch Stellung zu beziehen. zwei vermeintliche Sunnyboys, die gleich von Beginn an gewissenlos folternd und mordend durch die römische Unterwelt ziehen. Ihr übriges Verhalten ist zudem fast gänzlich von verbalen Anzüglichkeiten (zuzüglich oben beschriebener derb-erotischen Eskapade) und reaktionären Äußerungen geprägt (durch die deutsche Synchronisation noch verstärkt). Als Sympathieträger, geschweige denn Helden, kann man Fred und Tony nicht gerade bezeichnen, eher als asoziales Pack, welches das exekutive Recht dazu missbraucht, einen radikalen Lebensentwurf auszuleben. Dem Gangster-Gesindel stehen die beiden Cops in nichts nach, ja übertreffen dieses vielleicht sogar noch an Skrupellosigkeit.

Die Intelligenz von Deodatos Polizeifilm wird erst richtig bewusst, wenn man EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN in den Zusammenhang mit der Genre-Entwicklung stellt, wie überhaupt eine Bewertung - auch wenn einige Filme über den Tellerrand hinausblicken mögen - immer nur in den Grenzen einer Gattung erfolgen kann. Dem nicht Rechnung zu tragen hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Voraussetzung für eine adäquate Beurteilung sind natürlich grundlegende Genre-Kenntnisse. Im Folgenden soll deshalb Entwicklung des italienischen Polizeifilms kurz skizziert werden.

Wie Georg Seßlen in seinem äußerst empfehlenswerten Band COPLAND - GESCHICHTE UND MYTHOLOGIE DES POLIZEIFILMS (aus der Reihe "Grundlagen des populären Films"; Marburg: Schüren 1999) bereits treffend herausarbeitet, sind an allen - also nicht nur italienischen - Polizeifilmen eine Reihe von fundamentalen Eigenschaften festzumachen, die das Genre grundsätzlich kennzeichnen. Zentral ist der gesellschaftliche Widerspruch in der Institution "Polizei", die behauptet objektiv zu sein und recht-erhaltend zu handeln, aber mit der ökonomischen und kulturellen Organisation der Gemeinschaft im Prinzip nie wirklich in Einklang zu bringen ist. Zudem soll sie als Exekutive, welche eigentlich die soziale Ruhe, nicht aber das Recht zu schützen hat, Gewalt ausüben, um genau diese zu unterdrücken. Und ihre Vertreter (in der Regel Menschen an der Grenze zwischen Proletariat und Kleinbürgertum) sind dazu angehalten die gesellschaftlichen Widersprüche zu regeln, müssen jene aber am eigenen Leib und in der eigenen Psyche auskämpfen. Als logische Konsequenz des Dilemmas zwischen Gesellschaft und Institution bleiben widersprüchliche Figuren oder zumindest filmimmanente widersprüchliche Strukturen.

Im Groben lassen sich in Italien drei unterschiedliche Sub-Genre während der Blütezeit des "klassischen" Polizeifilms in den 70er-Jahren ausmachen.

Da ist zunächst der Mafiafilm, in dessen Zentrum der ewige Kampf der Gesellschaft mit dem organisierten Verbrechen und seiner korrumpierenden Macht steht. Über einen langen Zeitraum haderte die italienische Filmindustrie damit, ein einigermaßen realistisches Bild der Mafia zu präsentieren, wie es auch für den Staat schier unmöglich schien, den "Kraken" effektiv zu bekämpfen. Mit seinen das Mafia-Wirken in der Gesellschaft thematisierenden Filmen war Francesco Rosi der wichtigste Wegbereiter für eine Reihe von Produktionen, welche ab Ende der 60er-Jahre versuchten, die Verdrängung des Problems im öffentlichen Bewusstsein anzugreifen und aufklärende Wirkung zu erzielen. Behandelt wurde dabei ebenfalls die Ohnmacht der Exekutive und die Einsamkeit des Polizisten im Krieg gegen die organisierte Kriminalität. Zu den wichtigsten Regisseuren in diesem Bereich gehören Damiano Damiani, der in seinen Werken Sozialkritik und Polizeifilm miteinander kombinierte, sowie Elio Petri, welcher vor allem die Mitschuld der Polizei reflektierte.

Aus den kritischen, politisch begründeten Mafia-Filmen gingen dann zahlreiche Selbstjustiz-Streifen und Action-Cop-Movies hervor, die statt Reflektion eher eine gewaltsame Reaktion forderten. Mitte der 70er-Jahre erreichte diese umstrittene, aber an der italienischen Kinokasse sehr erfolgreiche Welle ihren Höhepunkt. Die deutlich auf ein aktionsreiches Geschehen fokussierten Filme spielten in einer urbanen, völlig korrupten Welt, die den Entwürfen des Italo-Western glich. Auch hier herrschte anarchistisches Niemandsland, in dem eigenständig handelnde (und teils unabhängige) Einzelkämpfer gegen ganze Heerscharen von Verbrechern antraten und dabei mit aller Härte vorgingen. Weder das Recht, noch die Polizei als Institution, konnten in dieser Umgebung wirken. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man sowohl die Rollen der Helden, als auch die der Gegenspieler häufig mit Italo-Western-Stars besetzte. So kamen beispielweise Giuliano Gemma, Franco Nero und Tomas Milian zu neuen Einsätzen. Nur Genre-König Maurizio Merli ging den umgekehrten Weg.

Der Erfolg der Selbstjustiz/Action-Filme ist nicht zuletzt auf die veränderte Einstellung des Publikums zurückzuführen. Dieses wollte sich nicht mehr mit einem kritischen Bild der Polizeiarbeit und den sozialen Wurzeln der Mafia-Herrschaft auseinander setzen, sondern verlangte nach dem eisernen, konsequenten Einzelkämpfer, der seine persönliche Rechnung beglich und dabei unter dem Applaus der Zuschauer ordentlich in der Unterwelt aufräumte. Genügend Vollmachten reichten aus, damit die Ordnung wiederhergestellt werden konnte. Und wenn diese mal ausblieben, bestritten die Helden eben ohne Absegnung ihren Feldzug gegen das Verbrechen, handelten sie doch nach vermeintlich integren Grundsätzen. Es war die Zeit der Phantasie vom "starken Mann".

Nicht unerwähnt bleiben sollte abschließend noch das dritte Sub-Genre, der Giallo (Italienisch für "gelb" - die Umschlagfarbe der populären italienischen Krimi-Groschenromane). Entstanden aus den deutschen Horror-Krimis der 60er-Jahre und von Mario Bavas LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO (aka EVIL EYE/THE GIRL WHO KNEW TOO MUCH) ins Leben gerufen, entwickelte sich der Giallo nach dem kommerziellen Erfolg von Dario Argentos Regie-Debüt DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (L'UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO; 1969) zum eigenständigen, wichtigen Bestandteil des italienischen Kinos der 70er-Jahre. Die nach einem Whodunnit-Schema konstruierten blutigen Polizeifilm-Thriller benutzen die Polizeiarbeit (und auch das Whodunit) häufig nur als Vorwand für eine visuell verspielte Reise in die erotische Komponente des Verbrechens, was bei der Betrachtung von EISKALTE TYPEN natürlich nicht weiter ins Gewicht fällt (mehr zum Giallo in der Besprechung zu DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER).

Setzt man Deodatos Film nun in Beziehung zu oben beschriebener Entwicklungslinie, und das ist - um es nochmals mit Nachdruck zu sagen - für die Beurteilung zwingend erforderlich, so gerät EISKALTE TYPEN eben nicht zur reaktionären Gewalt-Phantasie ohne Sinn und Verstand, sondern wird zum kritisch-ironischen Kommentar auf die italienische Selbstjustiz/Action-Welle.

In Zeiten, die von einer stetig wachsenden Gewaltbereitschaft der Gesellschaft geprägt waren, propagierten viele Genre-Beiträge eine kompromisslose "Auge um Auge - Zahn um Zahn"-Mentalität und ernteten dafür nicht nur den Beifall des Publikums, sondern folgerichtig auch dessen Kaufkraft, sprich Eintrittsgeld. Der Erfolg dieser Filme rechtfertigte die fragwürdigen Inhalte, denn in einem kapitalistischen System beherrscht nun einmal die Nachfrage das Angebot.

An der Oberfläche scheint EISKALTE TYPEN den Gesetzmäßigkeiten des Marktes zu folgen und eben jene Nachfrage - sprich die Forderung nach dem "starken Mann" - zu bedienen. Aber weil Deodato gänzlich auf eine Psychologisierung seiner beiden Hauptfiguren, und damit auch auf die Motivation für deren krude, in extrem potenzierter Form geschilderte Handlungen, verzichtet, entzieht er der unreflektierten Gewalt-Phantasie den notwendigen Nährboden. Deodatos Action-Cops bewegen sich, obschon sie unter dem Deckmantel des exekutiven Rechts operieren, nicht mehr im Rahmen eines gesellschaftlich geprägten Wertesystems. Sie sind völlig auf sich selbst fixierte Figuren, die ausschließlich nach eigenen radikalen Maßstäben agieren, und das gilt nicht nur für die Form der Verbrechensbekämpfung, wo sie gleichzeitig zu erbarmungslosen Jägern, Richtern und Henkern werden. Eine Identifikation mit den Action-Cops findet aufgrund fehlender Voraussetzungen nicht statt.

Durch die mangelnde Identifikationsmöglichkeit untergräbt Deodato das Genre-System, um den ungeschriebenen Gattungs-Gesetzen den Spiegel vorzuhalten. Wo vergleichbare Filme die Position vertreten, dass nur mit der Adaption von gewalttätigen Methoden eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung stattfinden kann, zeigt Deodato die Konsequenzen dieser (nicht nur filmischen) Forderungen. Aus seiner fast schon nihilistisch zu nennenden Perspektive, ist die Gesellschaft in einer sich stetig nach oben schraubenden Spirale von Gewalt, Verrohung und Korruption gefangen. Davon betroffen sind auch diejenigen, welche eigentlich die soziale Ruhe sowie die moralischen Wertvorstellungen sichern sollen. Was bleibt ist ein anarchistisches Niemandsland, in dem jeder seine individuellen Interessen rücksichtslos verfolgt und ausschließlich das Recht des Stärkeren regiert. Eine beängstigende Vorstellung.

Die vorangegangenen Überlegungen sollen jedoch nicht den Eindruck erwecken, als handele es sich bei EISKALTE TYPEN um einen hochintellektuellen Gegenentwurf zu den Selbstjustiz/Action-Filmen. Vielmehr macht sich Deodato die Eigenheiten des Genres zu Nutze, arrangiert die Elemente spielerisch neu und reflektiert dadurch die gängigen Strukturen. So offenbaren sich Qualitäten, die sonst im harten italienischen Polizeifilm nur selten zu finden sind.

Dass EISKALTE TYPEN als bissiger Genre-Kommentar funktioniert, also eigentlich erst auf der Meta-Ebene sein Potenzial entfaltet, ist kein bloßer Zufall. Während der Hochphase des Exploitation-Kinos in den 70er- bis frühen 80er-Jahren hat Deodato mehrfach sein Geschick im intelligenten Umgang mit Genre-Stoffen unter Beweis stellen können. Zu seinen besten Arbeiten zählen der hier behandelte EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN sowie MONDO CANNIBALE 2 - DER VOGELMENSCH (ULTIMO MONDO CANNIBALE; 1977), NACKT UND ZERFLEISCHT (CANNIBAL HOLOCAUST; 1979) und DER SCHLITZER (LA CASA SPERDUTA NEL PARCO; 1980). All diese Filme sind klar in einem Genre verortet, bedienen sich der jeweiligen Mechanismen, um in einer übersteigerten Präsentation derselben (dies betrifft vor allem den Gewaltaspekt) letztlich die darüber vermittelten Inhalte kritisch-ironisch zu kommentieren. Deodatos Exploitation-Exzesse haben Methode. Und, was an dieser Stelle auch nicht vergessen werden darf, sie zeichnen sich allesamt durch eine ausgesprochen versierte, technisch hochwertige Inszenierung aus.

Begonnen hat Ruggero Deodato seine Filmkarriere Ende der 50er-Jahre als Regie-Assistent des berühmten Roberto Rosselini, für den er insgesamt bei sieben Produktionen tätig war. Da Deodatos Interesse dem Erlernen von Filmtechniken galt, Rosselinis Arbeitsweise dies aber kaum zuließ, wechselte er 1961 in den B-Movie-Bereich. Hier konnte er bis zu seinem Regie-Debüt 1968 in knapp 50 Produktionen ausgiebig Erfahrungen sammeln, wobei er teilweise sogar ganze Passagen selbst inszenieren durfte bzw. musste. Auf dem Genre-Gebiet arbeitete Deodato u. a. mehrfach mit Riccardo Freda, Antonio Margherithi (aka Anthony [M.] Dawson) und Sergio Corbucci zusammen. Für Letztgenannten setzte er aufgrund von produktionsbedingten Termin- und Finanzschwierigkeiten große Teile des Spaghetti-Western-Klassikers DJANGO (1966) in Szene.

Deodato konnte sich also schon früh umfangreiche Einblicke in die verschiedensten Regie-Stile und Filmtechniken verschaffen. Darüber hinaus erwarb er während seiner Assistenten-Periode wertvolle Genre-Kenntnisse, kam in Kontakt mit zahlreichen Filmschaffenden und war alsbald in Italiens B-Movie-Szene kein Unbekannter mehr. All dies begünstigte seinen Wechsel ins Regie-Fach, wo er nunmehr das erworbene Wissen autonom in die Praxis umzusetzen konnte. Zunächst fast ausschließlich auf den technischen Aspekt des Filmemachens fixiert, hatte Deodato ab Mitte der 70er-Jahre wohl seine kreativste Schaffensphase. Er nutzte die damaligen Freiheiten des Exploitation-Kinos um seine, auch 1969 bis 1975 bei Werbespots gewonnenen visuellen Ideen zu verwirklichen, mit ihnen zu experimentieren und dabei die jeweiligen Genre-Mechanismen in oben beschriebener Art und Weise zu reflektieren. Die einschneidende Veränderung des Exploitation-Marktes ab Mitte der 80-Jahre ließen diesen Umgang mit der Materie nicht mehr zu, so dass Deodato dazu verdammt wurde, technisch zwar routinierte, inhaltlich aber letztlich mehr oder minder belanglose Filme zu drehen.

Deodatos herausragende filmtechnische Begabung spiegelt sich natürlich auch in EISKALTE TYPEN wider. Exemplarisch sei nochmals auf die Eingangs-Sequenz verwiesen, eine für den Polizeifilm obligatorische Verfolgungsjagd, bei der Deodato sein ganzes Können zelebriert. Knapp sechseinhalb (!) Minuten lang hetzen sich die motorisierten Gegenspieler in Rom, rasen halsbrecherisch durch die belebte Innenstadt und lassen sich in den Außenbezirken zu abenteuerlichen Manövern hinreißen. Mittels unzähliger Einstellungs- und Schauplatzwechsel erhält die komplizierte Sequenz eine schon spektakulär zu nennende Dynamik, die sonst im Genre nur selten zu finden ist. Die weiteren Action-Szenen erreichen dieses hohe Niveau zwar nicht ganz, sind aber allesamt ausgesprochen schnörkellos und routiniert inszeniert, was überhaupt auf den gesamten temporeichen Film zutrifft. Lediglich das bizarre Finale, welches an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden soll, erscheint zunächst ein wenig unbefriedend. Mit Blick auf Deodatos ironischen Stil ist es jedoch nur konsequent.

Die anfängliche Verfolgungsjagd birgt jenseits der technisch hervorragenden Umsetzung noch einen weiteren interessanten Aspekt. Indem Deodato die Gangster völlig grundlos einen Blindenhund überfahren lässt, erinnert er einerseits an deren Skrupellosigkeit (wie schon beim ersten Opfer trifft es erneut einen Schwächeren), andererseits charakterisiert er mehr als deutlich die Motivation der Täter. Es geht ihnen nämlich nicht ausschließlich darum, sich unrechtmäßig am Besitz ihnen körperlich unterlegener Personen zu bereichern, sondern ebenso um den "Thrill", den sie bei ihren Handlungen erfahren. Wie sich später herausstellen wird, ist es eben jener "Thrill", der auch die Handlungen der beiden Action-Cops zu einem wesentlichen Teil motiviert. Insofern verfügen die eigentlich konträren Parteien über grundlegende Gemeinsamkeiten.

Abschließend noch ein kurzes Wort zu den Darstellern, die vielleicht bis auf den etwas teilnahmslos wirkenden Adolfo Celi, seineszeichens Chef der Spezialeinheit, sichtlich Spaß an ihren überzogenen Rollen haben. Marc Porel und Ray Lovelock sind die Idealbesetzung für das knallharte Polizisten-Duo. Schon allein durch ihr Erscheinungs-Bild, sprich Sunnyboy-Image, verstärken sie die von Deodato in den Charakteren angelegte Ironisierung der Polizisten-Klischeefiguren. Mit einem stetig fröhlichen Grinsen und lässigen Gesten ziehen sie hemmungslos mordend durch die römische Unterwelt. Während der 1983 verstorbene Schweizer Porel u. a. noch in Giuseppe Rosatis erzreaktionären STADT IN PANIK (PAURA IN CITTA; 1976) sowie in einigen Filmen der "Superbullen"-Reihe mit Tomas Milian zu sehen war, führte Lovelock eine ebenfalls GNADENLOSE JAGD (SQUADRA VOLANTE; Regie: Stelvio Massi; 1974) in Umberto Lenzis DER BERSERKER (MILANO ODIA; 1974) und Marino Girolamis (Enzo G. Castellaris bzw. Enzo Girolamis Vater) GEWALT RAST DURCH DIE STADT / VERDAMMTE, HEILIGE STADT (ROMA VIOLENTA; 1975). Neben seiner Schauspielkarriere unternahm Lovelock mehrere Ausflüge ins Schlagermetier. Eine kleine Kostprobe seiner Gesangskünste ist auch in EISKALTE TYPEN zu erleben, denn er zeichnet sich hier für die beiden Themensongs verantwortlich. Ob Lovelocks Mitwirkung in Franco Prosperis üblen Rape-and-Revenge-Film JUNGE MÄDCHEN ZUR LIEBE GEZWUNGEN / VERFLUCHT ZUM TÖTEN (LA SETTIMA DONNA; 1978) seinen großen Durchbruch als Musiker verhindert hat, darf jedoch stark angezweifelt werden. Zu guter Letzt sollen einige Nebendarsteller nicht unerwähnt bleiben. In der Rolle eines mit Drogen vollgepumpten brutalen Geiselnehmers weiß der ehemalige Pasolini-Schauspieler Franco Citti durch eine hektisch überzogene Vorstellung zu gefallen, während Deodatos damalige Ehefrau Silvia Dionisio die kesse Sekretärin des Spezialeinheit gibt. In einem hübsch diffamierenden Gastauftritt agiert schließlich der italienische Komödienstar Alvaro Vitali als schwuler Hausmeister mit Vorliebe für erotische Fotoromane.

Das doppelbödige, provokative Exploitation-Kino des Ruggero Deodato hat zahlreiche Kritiker auf den Plan gerufen, denen vor allem die vermeintlich vermittelten reaktionären Inhalte ein Dorn im Auge waren. Doch diesen Vorwurf braucht sich Deodato wahrlich nicht gefallen zu lassen. Denn handeln seine Figuren auch teilweise reaktionär, durch die Struktur der Filme selbst wird genau die gegenteilige Auffassung vertreten. Das Kino des Ruggero Deodato steckt neben seinen reinen Schau- und Unterhaltungswerten voller ungeahnter Überraschungen. Diese zu entdecken ist nicht nur ein spannendes, sondern zudem überaus ergiebiges Unternehmen. Die Überlegungen zu EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN mögen dies unterstreichen. Deodatos herausragender Beitrag zum italienischen Polizeifilm ist das seltene Beispiel eines puren Genre-Rohdiamanten. Erst wenn man die Oberfläche abschleift, entfaltet der Edelstein seinen strahlenden Glanz.

© by SAILOR RIPLEY

Literatur:

- Blumenstock, Peter und Nagenborg, Michael: Ruggero Deodato - Das große Fressen ... In: Splatting Image Nr. 11. September 1992.
- Cholewa, Michael und Thurau, Karsten: Der Terror führt Regie - Italienische Gangster- und Polizeifilme 1968 - 1982. Terrorverlag 1998.
- Fenton, Harvey (Hrsg.): Cannibal Holocaust and the savage cinema of Ruggero Deodato. Guildford, Surrey: FAB Press 1999.
- Keßler, Christian: Die Eierharfe des kleinen Mannes - Neues von Kommissar Eisen. In: Splatting Image Nr. 29. März 1997.
- Keßler, Christian: Ruckzuck die Fresse dick! In: Splatting Image Nr. 17. März 1994.
- Seßlen, Georg: Copland - Geschichte und Mythologie des Polizeifilms. Marburg: Schüren 1999. (Grundlagen des populären Films)

 

 

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