THE RIFFS - DIE GEWALT SIND WIR!

Originaltitel 1990 - I GUERRIERI DEL BRONX
Alternativtitel THE BRONX WARRIORS (Export Titel)
BRONX WARRIORS (USA)
LES GUERRIERS DU BRONX (Frankreich)
LOS GUERREROS DEL BRONX (Spanien)
I CAVALIERI DEL BRONX (italienischer Alternativ-Titel)
   
Land und Jahr Italien 1982
   
Regie Enzo G. Castellari [= Enzo Girolami]
Produktion Fabrizio De Angelis
Drehbuch Dardano Sacchetti, Elio Briganti & E. G. Castellari
Kamera Sergio Salvati
Schnitt Gianfranco Amicucci
Musik Walter Rizzati
   
Darsteller Mark Gregory [= Marco De Gregorio] (Trash), Vic Morrow (Hammer), Christopher Connelly (Hot Dog), Fred Williamson (Orgy), Stefania Girolami (Ann), John Sinclair [= Gianni Loffredo] (Hank), Georg Eastman [= Luigi Montefiori] (Mongole), Thomas Moore [= Enio Girolami] (Samuel Fisher), Betty Dessy (Witch), Rocco Lerro (Leach), Massimo Vanni, (Blade), Angelo Ragusa, Enzo Girolami (Fred), Carla Brait (Tänzerin) u. a.
   
deutsche Erstaufführung 16.12.1982
Verleih Alemannia/Arabella
Format 1:2,35
Laufzeit 86 Minuten (deutsche Kino-Version); Originallänge: 92 Minuten (= 2529 Meter)
Home-Entertainment Video:
UFA.

 

Kann man seiner Zeit entfliehen, sich neben sie stellen, sie nur beobachten ohne an ihr teilzuhaben? Oder sind wir lediglich das Ergebnis einer Verkettung verschiedener Umstände und Zufälle? Zu Beginn möchte ich klarstellen, dass ich mit den 80er Jahren nicht das geringste zu tun hatte! Um diese Zeit, die soviel Stil hatte wie ein Whitesnake-Video oder auch durch die Dauerwelle von Bernhard Brink trefflich illustriert (überführt) ist, soll es hier nun gehen. Man kann seiner Zeit entfliehen.

"Seit bereit, allzeit bereit!" Der Original-Titel kam noch ohne Ausrufezeichen aus, das deutsche Plakat zu RIFFS nicht ohne eine Anspielung an berühmte amerikanische Vorgänger, wie Walter Hills WARRIORS oder John Carpenter`s KLAPPERSCHLANGE.

Na gut, jedes Ende ist immer auch - irgendwie - ein Neuanfang. Interessant sind deshalb Studien über die Phasen stagnierender Atmosphäre. In Castellaris RIFFS hat sich die Zeit der Apokalypse zwar beängstigend genähert, die atomare "Spreu- vom Weizen-Trennung" hat aber noch nicht begonnen.

RIFFS ist keiner der reinen Nach-Nuklearkatastrophen-Abenteuer, sondern symbolisiert vielmehr den Übergang der zivilisierten zu einer barbarischen Gesellschaft. Und trotz der trivialen Botschaft ist das Wedeln des Regisseurs mit dem Zaunpfahl einmal mehr sehr unterhaltsam. Castellari kreiert eine Atmosphäre von Gewalt, Angst und Resignation, ohne auch nur ein einziges Mal unter der Oberfläche des Spekulativen zu kratzen. Nachdem der italienische Großmeister Szenarien über politischen Filz, Korruption und Machtmissbrauch unterhaltsam in reißerischen Polizeifilmen verarbeitete (TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT, RACKET), ist der Schritt zur völligen Entmenschlichung unserer Heime die logische Konsequenz.

Genau wie in der beängstigenden Welt Walter Hills, finden wir auch in RIFFS verdeutlicht, dass die Apokalypse längst in unserer Nachbarschaft Einzug gehalten hat und die Gegenwart zur Bedrohung macht. Städte werden zu Kriegsschauplätzen, Stadtviertel zu Kriegsparteien. Großherzig könnte man die naive Botschaft des Films als Zelluloid gewordenen Spruch Martin Luthers bezeichnen: Und wüsste ich das morgen die Welt unterginge, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Die Helden in Castellaris Bronx können selbst ihrer Situation noch etwas Gutes abgewinnen und werden nicht müde Unrecht und Verbrechen zu ahnden. Trash, Anführer der Riffs: "Das hier Menschen umgebracht werden ist normal, so ist die Bronx". Als im letzten Drittel des Films Trash mit ansehen muss wie sein bester Freund Blade im Sterben liegt, kommen dem Bandenchef trotzdem die Tränen. Womit ich kurz das leidige Thema Methoden anreißen möchte. Das sich in Castellaris Welten die Guten in ihrer Vorgehensweise nicht von den Bösen unterscheiden, ist nun mal in dem Genre begründet, welchem sich Castellari verschrieben hat. Und ich bin mir sicher, auch Luther hätte Comics gern gehabt.

Natürlich hat Castellari kein wirkliches Interesse daran soziale Brennpunkte zu zeigen und gesellschaftliche Defizite aufzuarbeiten. Seine Interpretation einer kaputten Welt zeigt spätpubertierende Lederkuttenrocker und ihre vermeintlich heroischen Männlichkeitsrituale. Unsere Welt mit all ihren Werten und Annehmlichkeiten als Auslaufmodell. Konsequent besetzte der Regisseur die Hauptfigur Trash mit dem "Laiendarsteller" Marco De Gregorio. Nach Aussagen Castellaris entdeckte er den angeblich aus miesen familiären Verhältnissen stammenden "Helden" in einem einschlägigen Fitnesscenter. Castellari erzählte, dass De Gregorio, der keinen Spaß an der Schauspielerei entwickelt haben soll, heute angeblich in einem römischen Restaurant als Kellner arbeitet.

Apropos entwickelt, im Film sagt Enio Girolami zu Vic Morrow die ominösen Sätze: "Sie haben bis heute Abend um 11 Uhr Zeit Ann zurück zu bringen, oder ich hole mir ihren Kopf." Der Amerikaner Vic Morrow, wurde danach tatsächlich, bei den TWILIGHT ZONE-Dreharbeiten, von einem Helikopter enthauptet (direkt im Anschluss an RIFFS). Immerhin hinterließ er uns neben ein paar Dutzend TV-Filmen eine schauspielernde Tochter - Jennifer Jason Leigh.

Die Story ist die, schon mechanisch zu nennende, Aneinanderreihung von Machtkämpfen in den verschiedenen Ebenen des New Yorker-Großstadtlebens. Trashs Kampf um die Vorherrschaft in seiner Gruppe, der Kampf der Riffs um ihr Territorium - die Bronx - und der Kampf der Riffs gegen einen kaltblütig agierenden Killer, der als Heckenschütze ihr Viertel nicht unbedingt sicherer macht. Die diversen Mitbewerber im feindlichen Konflikt um den Bronxboden nennen sich Rollers, Scavengers, Tigers etc. und kennzeichnen sich durch ihre besonderen Eigenarten wie Kleidung und Make-Up oder Make-Up und Kleidung.

Im Original heißt George Eastmans Figur Golem, was eventuell zu der Spekulation Anlass gibt, Castellari spiele auf den 1920 gedrehten Stummfilm DER GOLEM UND WIE ER IN DIE WELT KAM von Paul Wegener und Carl Boese an. Dort geht es auch um die Vertreibung von Menschen, nämlich die der jüdischen Gemeinschaft im Prag des 16. Jahrhunderts.

Hätte ich Einfluss, so bekäme der 2. RIFFS-Teil (leider ohne Eastman, aber dafür mit Henry Silva als sadistischem Leiter einer Terrorkommandos) von mir zweifelsfrei schneller ein "sehr empfehlenswert" als Castelleris Auftaktfilm. Apropos Silva: Silwa-Video deklarierte Bruno Matteis entzückenden RATS - NOTTE DI TERRORE in Deutschland als dritten Teil der Riffs-Sage, RIFFS III - DIE RATTEN VON MANHATTEN. Dieses Werk hat mit Castellari und dem Produzenten Fabrizio De Angelis nur noch die verseuchte Kiesgrube gemeinsam. Die Überlebenden in Matteis Werk werden hier fast ausnahmslos von Nichtschauspielern (außer Massimo Vanni) repräsentiert, was der Unterhaltung jedoch keinesfalls abträglich ist. In den Ruinen New Yorks, die wie die De Paolis-Studios aussehen, helfen ganze Armeen von Ratten den Akteuren unter die Erde. Also kein 3. Teil, dafür hatte der Film mit Franco Delli Colli einen wirklichen Könner als Kameramann.

Sympathischer Weise scheint Castellari seit jeher transparente Charaktere sowie schlüssige Drehbücher gleichermaßen zu verabscheuen. Zudem wechselte er ständig seine Kameraleute. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass THE RIFFS insgesamt ein wenig inkonsistent wirkt. Aber durch das unbeholfen wirkende Auftreten des Hauptdarstellers [Anm.: Man beachte den Gang des "großen" Marco De Gregorio!], in Kombination mit der mangelhaften Dramaturgie, entstehen wunderbare Szenen voller unfreiwilliger Komik, welche THE RIFFS zu einem wirklich schönen Erlebnis werden lassen. Und seien wir doch mal ehrlich: wen interessiert schon die Handlung in einem italienischen Endzeit-Film (außer mir vielleicht)?

© by MICHAEL CHOLEWA

 

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